Chaos und Ordnung

Spielkarte aus der Publikation »Ins Offene – Kultur der Vielfalt gestalten«

»Die Säugetiere haben die Dinosaurier verdrängt,
weil sie schneller, kleiner und aggressiver waren.« (Charles Darwin)

 

Und was hat das nun mit Chaos und Ordnung zu tun? Bei meiner Suche nach Zitaten, um euch hier was Schlaues zu dem Thema Ordnung und Chaos aufzuschreiben, bin ich darauf gestoßen. War bestimmt ziemlich wuselig damals. Viele Viecher, Echseneier überall, ja, ja und der Urknall erst. Das muss ein Chaos gewesen sein, Mensch, Mensch, Mensch. STIMMT DA WAR JA WAS. Ja, irgendwas mit Universum und wie das entstanden ist und das alles eigentlich immer im Chaos war und dann wieder in ORDNUNG UND DANN WIEDER CHAOS bis dann irgendwann *Puff* alles weg sein wird.

 

»Nichts kann existieren ohne Ordnung.
Nichts kann entstehen ohne Chaos.« (Albert Einstein)


Es braucht beides. Ich brauche in meinem Leben genug Struktur und Ordnung, um mich sicher zu fühlen und meinen Haustürschlüssel zu finden. Ich brauche aber auch Chaos, um überrascht zu werden, um unruhig zu bleiben, nicht zu rosten. Das gleiche gilt für das Theater.

Keith Johnstone, der Urvater des Improtheaters, hat viel über die verschiedenen Qualitäten von Chaos und Ordnung und deren Bedeutung für Gruppenprozesse im Theater geschrieben. Menschen bringen mit sich selbst einen ganzen Haufen an erlernten Regeln und sozialen Normen mit in den Probenraum, welche als Kontrollmechanismen in uns wirken und bei vielen (vor allem erwachsenen Menschen) spontanes Handeln erschweren. Diese Blockaden werden in der sozialpsychologischen Theorie auch als psychologische Reaktanz beschrieben, die ein natürlicher Wunsch nach Handlungsfreiheit darstellt. Ein Mechanismus zur Bewältigung der Angst vor Autonomieverlust, welcher spontanes Handeln verhindert, da der Mensch darin anfälliger für Manipulationsversuche seiner Umwelt ist (vgl. Lösel 2004, 41).

 

Um die Kontrollmechanismen der psychologischen Reaktanz loszulassen, muss ein auf Vertrauen und Zusammenarbeit basiertes Gruppengefühl vorherrschen – ein sicherer Rahmen. Nur so kann sich die Unterdrückung von spontanem Reagieren lösen und die dahinterliegende, spontane Energie freisetzen, die einen Spielfluss entstehen lässt. Auch die Regelhaftigkeit mancher Spiele, welche die unendliche Auswahl an Handlungsweisen beschränkt, kann den Spieler:innen ermöglichen, frei und spontane Entscheidungen zu treffen und Flow zu erleben (vgl. Lösel 2004, 71ff.; Turner 1989, 88). Es braucht Ordnung. Sind diese Bedingungen gegeben, können im Spiel chaotische Kräfte freigesetzt werden, welche beispielsweise durch die Verletzung geltender sozialer Normen zum Ausdruck kommen. Es kann sich in einer Gefühlsentladung, Affekthandlung, Berechnung oder einer Infragestellung der bestehenden Machtstruktur äußern (vgl. Turner 1989, 12). Doch auch dieser Mut erfordernde Kontrollverlust und die damit einhergehenden destruktiven Kräfte werden irgendwann langweilig. Eine neue Ordnung wird geschaffen, neue Verknüpfungen und Strukturen gebildet, die jederzeit wieder niedergerissen werden können.

 

Als Moderation versuche ich zu spüren, wann es mehr Rahmung und wann mehr Freiraum braucht. Auch die materielle, uns umgebende Welt beeinflusst diese Gruppenprozesse und die gemeinsame, kreative Praxis. Ist das Material als solches zu erkennen? Bekomme ich einen Überblick über die Möglichkeiten? Lädt die Platzierung der Objekte dazu ein, genutzt zu werden? Darf ich mir das einfach nehmen? Finde ich mich zurecht? Was bringen die Räume und Architektur an System mit und wie verhalten wir uns dazu?

 

»Ein chaotischer Raum, gleicht einem chaotischen Geist« (Marie Kondo)

 

»Ordnung braucht nur der Dumme, das Genie beherrscht das Chaos.« (Albert Einstein)

 

Nicht umsonst gibt es unzählige Zitate, die auf die Verbindung der materiellen Ordnung oder Unordnung, die uns umgibt, und den Zustand des eigenen Geistes verweisen. Wie wir uns fühlen und wie wir handeln, wird von unserer Umgebung und ihrer Struktur beeinflusst. Was genau uns ermöglicht, gemeinsam kreativ zu werden und in den Flow zu kommen, welches Maß an Ordentlichkeit und Chaos es braucht, kann uns aber wahrscheinlich kein Zitat sagen, sondern muss situativ erspürt werden.

G
E
R. Ü.

Und jetzt wird aufg E. RÄU

M. t P.
L.

Literatur
Johnstone, Keith (1993): Improvisation und Theater, Berlin: Alexander Verlag.

 

Lösel, Gunther (2004): Theater ohne Absicht. Ein Herz-, Hand und Hirnbuch für Improvisationstheater, Berlin: Buschfunk.

 

Turner, Victor (1989): Vom Ritual zum Theater. Der Ernst des menschlichen Spiels, Frankfurt a. M.: Campus-Verlag.